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Türschild

Zeitig am Morgen ging ich wieder die Treppen hinunter. In der Tasche hatte ich auch diesmal wieder eine kleine Zeichnung, die in Kürze an der Tür von Hans kleben sollte. Nachdem wir uns eine lange Weile nicht gesehen und gesprochen hatten, weil er einen neuen Bekanntenkreis um sich geschart hatte, beschloss ich eines Tages, wieder den Informationsaustausch zu starten. Eine Zeichnung pro Woche sollte an seiner Haustür landen. Die Absicht dahinter war einfach zu durchschauen: er sollte einfach wissen, was ich so treibe, denn ich dachte mir, dass er vielleicht doch neugierig sein könnte. Der Kontakt wurde ja auch von mir ruhig gestellt, da Hans es sich zur Gewohnheit gemacht hatte, nicht mehr zu zu hören, selbst dann, wenn er Fragen gestellt hatte, sondern nur noch sein Leiden zu schildern und seine Besucher konsequent, auf eine subtile Art und Weise auszunutzen: „Bitte nimm mir doch Zigaretten mit, wenn du kommst.“, „Bitte borg mir Geld, weil die Bank heute meine Rente noch nicht hatte und mit der Bankomatkarte kenn ich mich nicht aus!“, „Bitte bring mich ins Burgenland, Du könntest dir bei dieser Gelegenheit auch einmal die Räumlichkeiten anschauen!“ und so weiter. Diese und noch unzählige, viel subtilere Ansagen gäbe es noch aufzuzählen, aber das ist wohl nicht mehr notwendig. Jedenfalls hatte er eine Art Menschen zu manipulieren und für sich aus zu nutzen, ohne dass man ihn böse sein konnte. Transversal betrachtet, konnte diese Zeichnung nun doch Einiges in Gang bringen. Druckwellen, die sich vom Vorderlappen des Gehirnes fortpflanzen in Richtung Gehirnstamm, waren darauf abgebildet. Neuerlich, es lag auch an den räumlichen Begleitumständen, hatte ich mich auf kleinere Papierarbeiten verlegt. Obwohl diese Form nicht gern gesehen wird aufgrund geringerer Haltbarkeit, steckte ich mehr Energie und Zeit in diese kleinen Kunstwerke, auch in der Hoffnung, diese erstens besser zu verkaufen können und zweitens, sollte erstens nicht klappen, einfach besser verstauen zu können.

Mut